Jülicher Nachrichten

vom 17.10.2011, Seite 9 (Lokalseite):

 

Dumas-Roman wird lebendig

Bühne 80 führt „Die drei Musketiere“ als szenische Lesung auf. Echte Fechtszenen bereicherndas häufig verfilmte Mantel-und-Degen-Stück.

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Duell unter Damen: Was hat die teuflische Lady de Winter (r.) der Liebe D‘Artagnans, Constance Bonacieux, bloß angetan? Fotos: Jagodzinska


„Einer für alle, alle für einen“: D‘Artagnan (Sebastian Schumacher r.) wird offiziell Musketier des Königs. Besonders laut jubelt Athos (Dr. Christoph Fischer, 2.v.r.).

Jülich. Schwerter kreuzten sich im Foyer der Stadthalle. Die Reenactmentgruppe „Der Irische Söldnerhaufen“, die sich die originalgetreue Nachstellung der Auseinandersetzungen im 30-jährigen Krieg zwischen der Protestantischen Union und der Katholischen Liga zur Aufgabe gemacht hat, belebte die Geschehnisse um „Die drei Musketiere“ eindrucksvoll.

Sie agierte vor allem als Hintergrundkulisse zur gleichnamigen szenischen Lesung der „Bühne 80“, die Regisseur Andreas Hardt nach dem Roman „Les trois mousquétaires“ von Alexandre Dumas konzipiert hatte. Zur weiteren Belebung trug das Jugendorchester der Propsteigemeinde Jülich unter Leitung von Andrea Rathmann bei, das sich gleich vor der Bühne positioniert hatte. Stücke wie die „Sinfonie aus der Neuen Welt“ von Antonin Dvorak oder die „Ouvertüre 1812“ von Peter Tschaikowsky untermalten gefühlvoll die Handlung, die wiederum von einem „Erzählergespann“ vorgetragen wurde: Die junge Marie (Lisa Wiersch) bahnte sich gemeinsam mit ihrer Großmutter (Bärbel Betz-Philipps), einer Bäuerin, zu Fuß den Weg durchs Publikum „aus einer anderen Zeit“ in die Stadt Paris.

Figuren Leben eingehaucht

Weil Marie unter Langeweile litt, bat sie die ältere Dame, ihr eine Geschichte zu erzählen, die nun auf der Bühne Gestalt annahm. Die vortragenden Darsteller standen jeweils auf, um am Mikrofon ihrer Rolle durch Stimme, Mimik und Gebärden eindrucksvoll Leben einzuhauchen: Die Hauptrolle des Edelmannes D‘Artagnan aus der Gascogne, der in das Corps der Musketiere des Königs aufgenommen werden will, bekleidete der junge Sebastian Schumacher. Kommandant der königlichen Musketiere ist der Comte de Tréville (Rudi Muschalek), der ihn erst nach entsprechender Bewährung aufnehmen will. D‘Artagnan verfolgt den einäugigen Rocheford (Evelyn Wirtz), Agent des intriganten Kardinals und Ministers Richelieu (Bert Voiss). Auf seinem Weg macht er schnell die Bekanntschaft von Athos (Dr. Christoph Fischer), Porthos (Markus Bäcker) und Aramis (Dr. Dirk Tunger), der sich zum Klerus hingezogen fühlt. Von ihnen zum Duell aufgefordert, werden die vermeintlichen Gegner zu Verbündeten gegen Richelieu und seine Gardisten.

Von nun an heißt es „Alle für einen, einer für alle“. D‘Artagnan verliebt sich in Constance Bonacieux (Hannah Biener), Gattin seines feigen Vermieters Michel Bonacieux (Albert Junker). Constance ist Zofe und Vertraute der Königin Anna von Österreich (Maritta Kieven), die in ihrer Ehe mit König Louis XIII. von Frankreich (Andreas Kupka) unglücklich ist und sich dem englischen Diplomaten Duke of Buckingham (An-dreas Hardt) zuwendet. Sie schenkt ihrem Geliebten zum Andenken zwölf Diamantspangen, einst Geschenk ihres Gatten. Diese Tatsache nutzt Richelieu zu einer Intrige: Er überredet den König, der „auf den Kardinal als Minister nicht verzichten kann“, für die Königin ein Fest zu geben, zu dem sie das Diamantgeschmeide tragen soll. D‘Artagnan reist nach England, um den Schmuck zurückzubringen und die Ehre der Königin zu retten. Dorthin hat der Kardinal seine Agentin, die schöne und grausamen Lady de Winter (Petra Schwarz) geschickt, um einige der Diamantnadeln zu stehlen.

Ehre der Königin wird gerettet

Es gelingt D‘Artagnan mit Hilfe seiner Freunde, die Ehre der Königin zu retten und letztendlich Anne de Winter mit Hilfe des Henkers von Lille (Wolfgang Schulz) ihrer gerechten Strafe zuzuführen, muss dabei aber einen schlimmen Verlust erleiden. Zu guter Letzt wird er offiziell Musketier des Königs.

Einigen der vortragenden Schauspieler gelang die Darstellung ihrer Rolle ganz besonders gut: Erwähnenswert ist vor allem Evelyn Wirtz mit einer mehr als überzeugenden Gaunerstimme in einer Doppelrolle: Neben Rochefort interpretierte sie Jussac, den Gardisten des Kardinals. Köstlich war auch Andreas Kupka mit seiner königlichen Haarpracht als stotternde und unsichere Majestät. Der künftige Regisseur Bernd ­Voiss, dessen finsteres Kardinalslachen durch Mark und Bein der Zuschauer ging, überzeugte ebenso wie Andreas Hardt in seiner Doppelfunktion als Regisseur und Duke of Buckingham mit überzeugend englischem Akzent. Nicht zuletzt begeisterte Dr. Christoph Fischer, in den letzten Jahren Regisseur der „Bühne 80“, als Athos, den eine geheimnisvolle Beziehung mit der teuflischen Lady de Winter verbindet.

Die überaus gelungene Aufführung, die weit mehr Zuschauer verdient gehabt hätte, wird noch am Samstag, 22. Oktober, um 19.30 Uhr und am Sonntag, 23. Oktober, um 16.30 Uhr in zum Teil anderer Besetzung aufgeführt. (ptj)

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